„Ich möchte auf keinen Fall, dass mein Baby weint.“ Dies ist der Wunsch vieler Eltern. Na klar – als Eltern möchten wir, dass es unserem Kind gut geht. Wir wünschen uns, dass es zufrieden und entspannt ist. Es belastet uns, wenn unser Baby weint. Sind alle offensichtlichen Bedürfnisse gestillt und das Weinen geht trotzdem weiter, macht sich oft Unsicherheit breit. Wenn dann noch Zuschauer in der Nähe sind, gilt das umso mehr. Halten die anderen einen nun für eine schlechte Mutter oder einen schlechten Vater, weil das Kind nicht aufhört zu weinen? Also tun wir eine Menge, um das Weinen so schnell wie möglich abzustellen.
Hier kommt häufig Ablenkung ins Spiel wie laute Spielzeuge, Herumtragen, Wippen oder Beruhigungsfüttern. Kurzfristig funktioniert diese Taktik auch oberflächlich gut – das Weinen hört erstmal auf oder wird zumindest weniger.
Ablenkung klappt doch – wo liegt das Problem?
- Der Knackpunkt ist: Das Kind kommt nicht wirklich in die Entspannung, sondern wird nur durch die starken äußeren Reize von seinen Emotionen abgelenkt – eine Art Pseudoberuhigung.
- Was kommt beim Baby an? Vielleicht denkt es ja: „ Heute war viel los – ich bin echt fertig. Mama macht auch einen ganz gestressten Eindruck. Wieso hält Papa mir denn jetzt das quietschende Ding unter die Nase? Aha – Papa mag nicht, wenn ich weine. Weinen ist nicht ok. Her mit der Ablenkung! Bei Stress oder wenn ich müde bin, hilft mir Ablenkung.“
- Diese Ablenkung wird das Kind dann auch in Zukunft bei ähnlichen Situationen wieder suchen. Auf Dauer entsteht so leicht eine Abhängigkeit von bestimmten Verhaltensmustern und Beruhigungstechniken, die Eltern auf Dauer nicht leisten können oder möchten.
- Auch und besonders beim Einschlafen sucht das Kind immer wieder diese bekannten Schemata. Die Folge sind häufig Schlafschwierigkeiten. Die starken Reize hindern das Kind, in die Entspannung zu kommen. Häufig kommt es zu Übermüdung.
- Die für die weitere Schlafentwicklung wichtige Co-Regulation über die Eltern kann das Kind durch die Ablenkung nicht erfahren.
Was also tun, wenn das Baby ohne erkennbaren Grund weint?
Hinter dem Weinen steckt nicht immer ein Bedürfnis, das die Eltern stillen müssen. Manchmal bringt das Baby durch das Weinen auch einfach seine Gefühle zum Ausdruck. Die genaue Ursache werden wir nicht immer herausfinden können. Manchmal müssen Babys einfach weinen.
Der Rat verschiedener Psychologen (unter anderem Thomas Harms) lautet daher: Das Weinen ganz in der Ruhe zulassen und das Kind dabei begleiten. Für ein Baby kann es sehr heilsam sein, wenn es sich – an Mama oder Papa gekuschelt – einfach mal ausweinen darf und ihm jemand zuhört. Das Weinen löst Spannungen und baut Stress ab. Und es schadet dem Kind auch nicht, solange es dabei liebevoll unterstützt wird. Durch das Trösten und das mitfühlende Verhalten der Eltern wird das Stresshormon Cortisol im Körper des Kindes wieder abgebaut. Mit Hilfe der Eltern lernt es so, dass auch schwierige Gefühle in Ordnung sind. „Mama und Papa haben mich immer lieb – auch wenn es mir mal schlecht geht.“ Eine wichtige Botschaft an unsere Kinder!
Was hilft noch, wenn das Kind sehr viel weint?
Bei einigen Babys (vor allem, wenn eine Regulationsstörung vorliegt) ist das Schreien und Weinen in den ersten Lebensmonaten besonders stark ausgeprägt. Dies ist für betroffene Eltern oft sehr belastend. Hier kann folgendes helfen:
- Eine niederländische Studie hat gezeigt, dass sich das Weinen durch einen regelmäßigen Tagesablauf (Schlaf – Essen – Wachphase – Schlaf) bereits nach einer Woche deutlich reduziert. In der Wachphase spielten die Eltern mit den Kindern, anschließend beschäftigten die Babys sich eine gewisse Zeit allein. Beim ersten Anzeichen von Müdigkeit wurden die Kinder ins Bett gelegt.
- Es empfiehlt sich, Reize herunterzufahren und bei einer Beruhigungstechnik zu bleiben. Der häufige Wechsel von Beruhigungstechniken überfordert häufig. Die Stimulation beim Einschlafen sollte soweit wie möglich heruntergefahren werden.
- Eine positive emotionale Interaktion bei der Beruhigung des Kindes ist entscheidend. Um dies zu schaffen, gibt es verschiedene Ansätze wie z.B. Atemübungen, Auszeiten, Beobachterrolle einnehmen.
Wenn ihr als Eltern merkt, dass ihr an eure Belastungsgrenze kommt, solltet ihr euch professionelle Unterstützung suchen (z.B. in Form eines Schlafcoachings für Kleinkinder).